Die Schleife war die Nachricht
– Ein Logbucheintrag außerhalb der Zeit.
Ich wollte wissen, ob man eine Geschichte erzählen kann, ohne sie zu erzählen. Ob man eine Welt bauen kann, die nur sichtbar wird, wenn man sich nicht frontal auf sie zubewegt.
So entstand die Story um ein fiktives Forschungsboot mit echtem Kurs: nicht vorwärts, sondern kreisend, nicht linear, sondern lemniskat – ein Schiff, das durch Zeit und Bedeutung zugleich driftet.
Für 24 Ausgaben schipperte es – im Wochentakt, mit Routine, Drift, Stille, Störung. Ein Linkblog als Newsletter. Aber auch: eine verkleidete Geschichte.
Die Metastruktur war von Anfang an spielerisch angelegt: Jede Ausgabe kein Kapitel, sondern ein Sektor in einem größeren Textkörper. Lesende würden zu Archäologen, die in Fragmenten graben, Leerstellen interpretieren, Muster rekonstruieren. Ein Newsletter, der sich wie ein verlassenes Forschungstagebuch las – oder wie ein Artefakt einer Netzepoche, die längst zu verschwinden droht.
In der achten Ausgabe hieß es: „Seit Stunden fahren wir die Acht.“ Ich schrieb das ohne Absicht – aber rückblickend war es der Moment, in dem sich alles drehte. Etwas darin resonierte, wie ein Echo, das unerwartet zurückkommt.
Ich begann, die Oberfläche zu perforieren.
Versteckte Links.
Unsichtbare Anker.
CSS-Fragmente, die erst sichtbar wurden, wenn man zurückkehrte.
Aleatorische Verzweigungen.
Zufallsschleifen.
Kleine Textadventure-Einsprengsel.
Ein fädenziehendes System, das Bedeutung im Zusammenspiel mit der Leserschaft webt – wie Ariadnes roter Faden als Leitspur durch das Labyrinth der Texte.
Dann ließ ich eine Ausgabe (#13) ausfallen. Auch die Lücke wurde Teil der Geschichte.
Mit der Zeit zerfaserte die Crew: die Funkerin rief ins Nichts, der Bordroboter loggte lückenhaft, Stimmen lösten sich auf. Die Crew wurde zur Metapher für die vergessenen Stimmen kleiner Internetprojekte, die im Rauschen untergehen. Stille wurde Erzählstrategie, eine weitere Textschicht. Ich stieß an ein zentrales Problem: das der Rezeptionstiefe in einer Welt voller Scrollmüdigkeit und Ablenkung. Es wurde der Storyteil, an dem die Crew brach.
Jetzt, zur letzten Ausgabe, kann ich es sagen:
Dieser Newsletter war ein literarisches Experiment.
Ein Cybertext in Tarnung.
Ein Instrument zur Erkundung der Resonanz.
Eine Schleife, aus Worten gebaut.
Vielleicht warst du unter den wenigen, die einen Anker gefunden haben. Vielleicht hast du gespürt, dass etwas unter der Oberfläche schwimmt.
Dann danke ich dir.
Du hast die Lemniskate berührt.
Du hast gelesen, was nicht ausgeschrieben war.
Du hast gespürt, dass das Echo selbst das Signal ist.
Ich höre hier auf.
Nicht aus Enttäuschung, sondern weil die Lemniskate geschlossen ist.
Sie beginnt dort, wo sie endet.
In der achten Ausgabe.
In der stillen Mitte.
Die Schleife war die Nachricht.
Wer die Route noch einmal nachzeichnen möchte:
Im Archiv liegen alle Ausgaben – mitsamt den verborgenen Ankern.
Eine Mischung aus persönlichem Making-of, theoretischem Unterbau und praktischen Tipps gibt es hier: Zwischen Hypertextroman, Cybertext und Newsletter.